Botanische Bezeichnung
Echter Beinwell – Symphytum officinale L.
Familie
Raublattgewächse (Boraginaceae)
Wissenswertes zur Pflanze
Der Beinwell ist in Eurasien heimisch und reicht ostwärts bis Zentralasien. Er wächst auf feuchten Wiesen, an Wassergräben und Ufern. Auch in Nordamerika ist er inzwischen verbreitet.
Der Gattungsname Symphytum leitet sich ab von gr. ‚syn’ (= zusammen) und ‚phyo’ (= wachsen), woraus gr. ‚symphytos’ (= zusammengewachsen) entsteht. Damit ist das Zusammenwachsen von Wunden oder gar von Knochen gemeint, also ein Wundheilmittel. Diese Heilkraft kommt auch im deutschen Namen „Beinwell“ zum Ausdruck, denn in der alten Heilkunde bedeutete „die Wunde wallt“ soviel wie „die Wunde wächst zu“ oder „wird heil“. Der Beinwell ist demnach eine sehr alte Heilpflanze, was im Artepitheton officinale verdeutlicht wird, denn officinalis bedeutet „in der Apotheke gebräuchlich“, abgeleitet von der „Offizin“, dem Verkaufsraum einer Apotheke.
Der Beinwell wird 50 bis 100 m hoch und ist mit einer rübenförmigen dicken Pfahlwurzel bis 30 cm tief in der Erde verankert. Er ist eine Halbrosettenstaude mit einem verzweigten, stark borstig behaarten Stängel. Die Blätter sind eiförmig-lanzettlich, lang zugespitzt, die oberen Blätter verschmälern sich zu einem weit am Stängel herablaufenden, geflügelten Blattstiel. Die Blattnerven sind ebenfalls rau behaart. In den Achseln der oberen Blätter stehen die purpurroten oder rotvioletten (auch gelbweißlichen), glockigen, nickenden Blüten in dichtblütigen Doppelwickeln. Ihre Kelche sind mit Kelchzähnen versehen, die Kronblätter bilden eine außen stark behaarte Röhre. Blütezeit ist Mai bis Juli.
Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)
Verwendet werden die getrockneten Wurzeln (Beinwellwurzel - Symphyti radix). Die Droge des Handels stammt aus Kulturen.
Arzneilich verwendet wird auch das getrocknete Kraut von S. x uplandicum Nym. (Beinwellkraut - Symphyti herba), das aus osteuropäischen Ländern importiert wird.
Inhaltsstoffe der Droge
Beinwellwurzel und Beinwellkraut enthalten Gerbstoffe, Schleimstoffe, Kaffeesäurederivate (u.a. Rosmarinsäure), Allantoin und Pyrrolizidin-Alkaloide. Da letztere lebertoxisch sind, werden zur Herstellung von Fertigarzneimitteln Pyrrolizidinalkaloid-arme Züchtungen verwendet.
Qualitätsbeschreibungen
In den Arzneibüchern (Ph. Eur., DAB, DAC) ist weder die Qualität von Beinwellwurzel noch die von Beinwellkraut festgelegt.
Medizinische Anwendung
Anerkannte medizinische Anwendung
Beinwellwurzel (S. officinale)
Das HMPC hat Beinwellwurzel als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: äußerlich bei Schmerzen und Schwellungen von Muskeln und Gelenken; außerdem bei Gelenkarthrose, akuten Rückenschmerzen, Muskelzerrungen, Prellungen und Verstauchungen, bei Epikondylentzündungen, Sehnenscheidenentzündung und Periarthritis. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langjährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E: Äußerlich bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen.
Durch klinische Studien wurden folgende Anwendungsgebiete belegt (Zulassung): bei schmerzhaften Muskel- und Gelenkbeschwerden, Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen (nach Abklingen der akuten Phase) sowie zur lokalen Durchblutungsförderung.
Beinwellkraut (S. uplandicum)
Durch klinische Studien wurden folgende Anwendungsgebiete belegt (Zulassung): äußerlich bei Prellungen und Verstauchungen (bei Sport- und Unfallverletzungen), Muskel- und Gelenkschmerzen infolge stumpfer Verletzungen
Traditionelle Anwendung
Beinwellwurzel wurde vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Beinwellwurzel äußerlich bei Verstauchungen und leichten Prellungen eingesetzt werden.
Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln
Symphytum officinale - Wurzel
- pulverisierte Beinwellwurzel zur Bereitung eines Aufgusses oder eines Breis
- Fluidextrakt in Salben, Cremes und Umschlagpasten
- Frischpflanzenpresssaft kombiniert mit dem alkoholischen Auszug aus dem Pressrückstand
Dosierung
Um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu gewährleisten, sollten Beinwellwurzel und Beinwellkraut in Form von Fertigarzneimitteln angewendet werden; die Dosierung ist der Packungsbeilage zu entnehmen.
Bereitung eines Teeaufgusses
Zur äußerlichen Anwendung in Form eines Umschlags wird 5 bis 10 g grob pulverisierte Beinwellwurzel mit 100 mL Wasser aufgekocht und nach 15 Min. durch ein Sieb gegeben. Ein warmer Beinwellwurzelbrei wird durch Verrühren der grob gepulverten Droge mit wenig heißem Wasser hergestellt.
Hinweise
Nur auf intakter Haut auftragen!
Während der Schwangerschaft und Stillzeit und bei Kindern unter 3 Jahren dürfen Beinwellzubereitungen wegen mangelnder Erkenntnisse nicht angewendet werden.
Obwohl die Pyrrolizidin-Alkaloide beim Auftragen auf die intakte Haut nicht in den Blutkreislauf gelangen, soll Beinwell nicht länger als 4 bis 6 Wochen pro Jahr angewendet werden. Die in Fertigarzneimittel verarbeiteten Extrakte werden allerdings mit Spezialverfahren hergestellt, bei dem die Pyrrolizidine eliminiert werden. Für solche Produkte besteht keine Beschränkung in der Anwendungsdauer.
Nebenwirkungen
Keine bekannt
Wechselwirkungen
Keine bekannt
Literaturhinweise
Drogenmonographien
HMPC (2015, 2024), ESCOP (2012), Kommission E (1990)
Weiterführende Literatur
Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen