Arzneipflanzenlexikon

Bitterorange - Pomeranze

Bitterorange - Pomeranze
Foto: IPBP Universität Münster

Botanische Bezeichnung

Bitterorangenbaum/Pomeranzenbaum – Citrus aurantium L. (Syn. Citrus aurantium L. ssp. amara Engl.)

Familie

Rautengewächse (Rutaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Bitterorange, auch Pomeranze oder Bigarade genannt, stammt aus dem subtropischen Nordosten Indiens sowie den daran angrenzenden Teilen Chinas und Burmas, von wo aus sie sich nach Japan und westlich bis ins Mittelmeergebiet ausgebreitet hat. Sie erreichte Europa ungefähr zu Beginn der christlichen Zeitrechnung - es ist die erste Citrus-Art der Neuen Welt. Heute wird sie in vielen subtropischen Regionen kultiviert und ist dort auch verwildert anzutreffen, zum Beispiel im Mittelmeerraum, in Südamerika und in den Südstaaten der USA. Die Pomeranze bevorzugt sonnige bis halbschattige Standorte und gedeiht auf gut durchlässigen, fruchtbaren Böden. Sie ist in Gärten, Plantagen sowie als Zierpflanze in städtischen Anlagen verbreitet.

Der Gattungsname Citrus leitet sich vermutlich von gr. ‚kedros‘ ab, was sowohl auf die Zeder als auch auf die Zitrusfrucht hinweist und somit die historische Bedeutung und Verwendung der Pflanze in verschiedenen Kulturen unterstreicht. Das Artepitheton aurantium leitet sich ab von lat. ‚aurantium‘ was für „golden“ oder „orange“ steht und auf die charakteristische Farbe der Früchte hinweist. Der volkstümliche Name „Pomeranze“ kommt vom italienischen ‚pomo arancio‘ (Apfelsine), was „goldener Apfel“ bedeutet und sowohl die Farbe als auch die runde Form der Frucht hervorhebt.

Der bis zu 10 m hohe immergrüne Baum hat bedornte Zweige; die Blätter sind länglich-oval, dunkelgrün und ledrig, mit stumpfer Spitze und einer breit gerundeten keilförmigen Basis. Die Blattstiele sind 2 bis 3 cm lang und breit geflügelt. Die großen weißen, radiären Blüten duften stark. Die Früchte sind meist kugelig mit einer im reifen Zustand dunkel orangeroten, warzigen Schale. Sie besteht aus dem gelb-orangefarbenen Exocarp, der sog. Flavedoschicht, und dem schwammigen, gelbweißen Mesocarp, der sog. Albedoschicht. In England wird aus dem sauren Fruchtfleisch die beliebte Bitterorangenmarmelade - die „marmelade“ – hergestellt, das Mesocarp zu Orangeat kandiert.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet wird die aromatisch-würzig riechende Fruchtschale der reifen Bitterorangenfrüchte, wobei das schwammige weiße Parenchym der Albedoschicht weitgehend entfernt wird (Bitterorangenschale - Aurantii amari epicarpium et mesocarpium). Die Droge des Handels stammt aus Spanien, Portugal, Israel und Westindien.
Auch die Blüten werden – als Knospen geerntet – arzneilich verwendet (Bitterorangenblüten – Aurantii amari flos).

Inhaltsstoffe der Droge

Bitterorangenschalen enthalten ätherisches Öl, das in den Ölbehältern der Flavedoschicht liegt. Hauptkomponente ist Limonen neben zahlreichen weiteren Monoterpenen und nichtterpenoiden Aldehyden (u.a. Octanal, Nonanal, Decanal), die das Aroma deutlich prägen. Die Bitterstoffe werden hauptsächlich durch die Flavonoide Naringin, Neohesperidin und Neoeriocitrin repräsentiert; weitere Inhaltsstoffe sind Furocumarine und Methoxyflavone, Carotinoide, Pektin und zyklische Peptide.
Das Protoalkaloid Synephrin ist in der Schale und dem Fruchtfleisch von Bitterorangen in sehr geringen Konzentrationen enthalten; ihm werden wegen der strukturellen Verwandtschaft zu Ephedrin eine sympathomimetische Wirkung zugeschrieben. Aus diesem Grund werden Extrakte aus Bitterorangen (Schale und Früchte) als Schlankheitsmittel und Sportler-Nahrungsergänzungsmittel beworben. Nicht selten sind diese Produkte jedoch mit Verbindungen wie Ephedrin und Coffein u.a. versetzt, sodass gesundheitliche Schäden (Herz-Kreislauf-System) drohen.

Bitterorangenblüten enthalten ätherisches Öl - das als „Neroliöl“ auf dem Weltmarkt gehandelt wird. Dessen Hauptkomponenten sind die duftprägenden Monoterpene Linalool und Linalylacetat neben mehreren Monoterpen-Kohlenwasserstoffen. Der bittere Geschmack der Blüten ist wie bei den Schalen auf flavonoide Bitterstoffe zurückzuführen (s.o.).

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Bitterorangenschale (Aurantii amari epicarpium et mesocarpium)
  • Bitterorangenblüten (Aurantii amari flos)
  • Neroliöl/Bitterorangenblütenöl (Neroli aetheroleum)
Bitterorangenschalentinktur (Aurantii amari epicarpii et mesocarpii tinctura) Die Qualität von Eingestelltem Bitterorangenfluidextrakt (Aurantii amari extractum liquidum normatum) und Bitterorangenschalensirup (Aurantii flavedinis sirupus) ist in der Pharmacopoea Helvetica (Ph. Helv.) festgelegt.
Eine Monographie für Pomeranzenblütenwasser (Aqua aurantii floris) und für Pomeranzenextrakt (Extractum aurantii) ist im Ergänzungsband zum DAB 6 (Erg. B. 6) enthalten.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Bitterorangenschale, Bitterorangenblüten und Neroli/Bitterorangenblütenöl wurden bisher weder vom HMPC noch von der ESCOP bearbeitet.
Kommission E: Pomeranzenschale (Aurantii pericarpium): bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden. Pomeranzenblüten erhielten eine Negativmonografie wegen unzureichend wissenschaftlichen Erkenntnis­materials zur Pharmakologie und klinischen Wirkung. Es bestehen jedoch keine Bedenken zur Nutzung der Blüten als Geschmacks- und Geruchskorrigens, weswegen die Beurteilung der Kommission E als sog. „Nullmonographie“ bezeichnet wird.

Traditionelle Anwendung

Bitterorangenschalen und Bitterorangenblüten erhielten bisher keine Einstufung als traditionelles Arzneimittel im Sinne des § 39a AMG; keine Listung als traditionelles Arzneimittel (§ 109 a).

Volksheilkundlich werden Bitterorangenblüten als beruhigendes Nervenmittel bei Erregungszuständen und Schlaflosigkeit angewendet. Auch dem ätherischen Öl (Neroliöl) wird beruhigende und antidepressive Wirkung zugeschrieben, sodass es volksheilkundlich bei Angst- und Prüfungssituationen sowie bei kardialen nervösen Unruhezuständen eingesetzt wird.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Bitterorangenschale

  • alkoholische Auszüge und Fluidextrakte in Tropfen
  • Bestandteil eines alkoholischen Mischdestillats (Melissengeist)

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: mehrmals täglich eine Tasse warmen Bitterorangenschalentee trinken. Zur Appetitanregung soll der Aufguss jeweils eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten getrunken werden. Tagesdosis: 4 bis 6 g Droge.

Bereitung eines Teeaufgusses

1 bis 2 g geschnittene Bitterorangenschale mit ca. 150 mL siedendem Wasser übergießen und nach 10 Min. abseihen.

Hinweise

Für die Anwendung von Bitterorangenschalen, Bitterorangenblüten und Neroliöl während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor; von einer Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.

Nebenwirkungen

Bitterorangenschalen: Aufgrund des Gehalts an Furocumarinen ist eine Photosensibilisierung ist möglich, insbesondere bei hellhäutigen Personen.

Wechselwirkungen

Extrakte und Dekokte von Bitterorangenschalen hemmen die Resorption von Ciclosporin (Immunsuppressiva).

Literaturhinweise

Drogenmonographien

Kommission E (1990, 1993)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Bitterorangenschale, Nr. 1603;
Bitterorangenblüten, Nr. 1810; Neroliöl/Bitterorangenblütenöl, Nr. 1175;
Bitterorangenschalentinktur, Nr. 1604)

 

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