Arzneipflanzenlexikon

Roter Fingerhut

Roter Fingerhut
Foto: Joachim Rosse

Botanische Bezeichnung

Roter Fingerhut - Digitalis purpurea L.

Familie

Wegerichgewächse (Plantaginaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Roter Fingerhut
© Sertürner Bildarchiv

Der Rote Fingerhut ist eine in Europa heimische Giftpflanze (!) und besonders häufig zu finden an der Westküste Norwegens, in Großbritannien, Deutschland, den atlantischen und subatlantischen Gebieten Frank­reichs, Belgiens und Hollands sowie in den Pyrenäen und den atlantischen Teilen der iberischen Halbinsel. Durch Verschleppung findet man ihn auch auf dem amerikanischen Kontinent, auch in Chile und Argen­tinien. Der rote Fingerhut wächst auf halbschattigen Kahlschlägen, in Waldlichtungen und auf buschigen Abhängen.

Der deutsche Name „Fingerhut” leitet sich von der Form der Blüte ab, die einem Fingerhut ähnelt. Dies vermittelt auch der lateinische Gattungsnamen Digitalis, der auf das mittel­lateinische ,digitale' zurückgeht, das den Fingerhut als Handwerkszeug des Schnei­ders bezeichnet. Das Artepitheton purpurea bezieht sich auf die purpurfarbene Farbe der Blüte.

Der Fingerhut ist zweijährig. Im ersten Jahr bildet er eine am Boden liegende Blattrosette, im zweiten Jahr wächst aus ihrer Mitte ein bis zu 2 m hoher, Blüten tragender Stängel. Die Blätter, sowohl die der Blattrosette als auch die am Stängel, sind oberseits flaumig, unterseits graufilzig behaart, die unteren Blätter lang gestielt, nach oben sind sie zunehmend sitzend. Zahlreiche Blüten stehen nickend auf Tragblättern am oberen Stängel­teil in einer lockeren einseitswendigen Traube, jeweils in einem kleinen, zipfeligen Kelch sitzend. Die purpurfarbene Blüte ist röhrig glockig, 4 bis 5 cm lang, mit einer kurzen Oberlippe und einer längeren, dreilappigen Unterlippe. Auf der Innenseite dieser sind dunkle, hell umrandete Flecken zu erkennen. Damit möchte die Blüte „Pollenreichtum” vortäuschen, um Bienen zu ihrer Bestäubung anzulocken. Die Frucht ist eine eiförmige und behaarte, vom Kelch eingeschlossene Kapsel. Blütezeit ist Juni/Juli.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die getrockneten Blätter (Digitalis-purpurea-Blätter - Digitalis folium), wobei aus ökonomischen Gründen meist die Rosettenblätter des 1. Jahres im Frühherbst geerntet werden.
Die Droge des Handels stammt aus Kulturen in den Balkanländern, aus Österreich und der Schweiz.

Inhaltsstoffe der Droge

Digitalis-purpurea-Blätter (Fingerhutblätter) enthalten zahlreiche herzwirksame Steroide in Form von Cardenoliden (Cardenolidglykosiden), die wichtigsten sind Purpureaglykosid A, B und E mit den Aglykonen Digitoxigenin, Gitoxigenin und Gitaloxigenin; außerdem Steroidsaponine und Pregnanglykoside. Die Cardenolide sind für die Giftigkeit der Pflanze verantwortlich.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität der Digitalis-purpurea-Blätter (Digitalis purpureae folium) ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt. Die Qualität des Eingestellten Digitalis-purpurea-Pulvers war bis 2014 im Deutschen Arzneibuch (DAB) festgelegt. Das Europäische Arzneibuch enthält auch eine Qualitätsvorgabe für „Digitalis für homöopathische Zubereitungen“.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Früher wurden Fingerhutblätter volksheilkundlich bei Herzschwäche eingenommen, was jedoch wegen der geringen therapeutischen Breite (starke Giftwirkung der Cardenolide!) problematisch ist und sollte nicht mehr praktiziert werden. Digitalis-purpurea-Blätter und die daraus isolierten Cardenolide sind stark wirksame Arzneimittel und dürfen phyto­therapeutisch nicht verwendet werden. Aus diesem Grunde wurden Digitalis-purpurea-Blätter weder vom HMPC, noch von der ESCOP und der Kommission E bearbeitet.

Auf dem Arzneimittelmarkt stehen heutzutage Fertigarzneimittel mit den aus Digi­talisblättern isolierten Cardenoliden (Digitoxin und Gitoxin) zur Verfügung. Sie werden bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche) ärztlich verordnet und dürfen nur in geeigneter Do­sierung eingenommen werden. Die bei Herzinsuffizienz eingesetzten Cardenolide werden heutzutage allerdings vorzugsweise aus dem gelben Wolligen Fingerhut (Digitalis lanata L.) gewonnen. Aus seinen Blättern werden die auf dem Markt befindlichen Reinstoffe Digitoxin, Acetyldigoxin und Lanatosid C isoliert.

Traditionelle Anwendung

Wegen des Gehalts an stark herzwirksamen Cardenoliden, die auch für die Giftigkeit der Pflanze verantwortlich sind, verbietet sich eine Einstufung der Digitalis-purpurea-Blätter als pflanzliches traditionelles Arzneimittel im Sinne des § 39a AMG.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

keine; im Handel sind nur Fertigarzneimittel mit den isolierten Cardenoliden und nur auf ärztliche Verordnung in individuell angepasster Dosierung anzuwenden.

Bereitung eines Teeaufgusses

entfällt

Hinweise

Digitalis-purpurea-Blätter sind giftig (starke Herzwirkung!), sodass eine Anwendung der Droge bzw. der Fertigarzneimittel nur unter der Aufsicht des Arztes in Frage kommt.

Weiterführende Literatur

Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Digitalis-purpurea-Blätter, Nr. 0117; Digitalis für homöopathische Zubereitungen, Nr. 2705)

 

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