Arzneipflanzenlexikon

Hafer

Hafer
Foto: Rosse

Botanische Bezeichnung

Saat-Hafer – Avena sativa L.

Familie

Süßgräser (Poaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die heute als wichtige Getreidelieferanten in Europa kultivierten Hafersorten stammen wohl von der Wildart Avena fatua L., dem Flughafer, ab oder von anderen Hafer-Wildformen, die auch heute noch an Weg- und Feldrändern wild wachsen. Der Hafer kam als Unkraut aus der eurasischen Heimat zu uns nach Mitteleuropa. Er gedeiht auf mäßig sauren, etwas sandigen oder lehmigen Böden in feuchtem und kühlem Klima. Der Schwerpunkt des Haferanbaus liegt in der nördlichen gemäßigten Zone.

Hafer ist ein einjähriges Rispengras mit 60 bis 120 cm hohem Halm und zweizeilig ange­ordneten Blättern, die den Halm umschließen. Die Blattspreite ist bis 45 cm lang und 5 bis 15 cm breit. Am Halm-Ende stehen 15 bis 30 cm lange, lockere Rispen mit meist waagerecht abstehenden Ästen. Die daran hängenden, 2 bis 3 cm langen Ährchen „nicken“ und verleihen dem Hafer das charakteristische Aussehen. Dadurch lässt er sich sehr leicht von den anderen Getreidearten unterscheiden. Die einzelnen Ährchen bestehen aus 2 bis 3 Blüten mit, wenn überhaupt, kurzen Grannen; meist sind nur 2 der Blüten fruchtbar. Aus ihnen entstehen dann die spindelförmigen, tief gefurchten Haferkörner mit je zwei großen, blattartigen Spelzen (Fruchtform: Karyopse).

Der Gattungsname Avena wurde schon bei den Römern verwendet; sie nutzten den Hafer nur als Viehfutter. Der Anbau des Hafers (lat. ‚sativa’ = angepflanzt) ist in Mitteleuropa seit der Bronzezeit nachweisbar und als vorzügliches Pferde- und Hühnerfutter bekannt. Mit zunehmender Motorisierung und der damit einhergehenden verminderten Haltung von Zugpferden ging der Haferanbau bei uns in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. Heutzutage wird er wegen der intensiveren Reitpferdehaltung wieder mehr angebaut; außerdem hat er als Bestandteil von Müsli neue Bedeutung gewonnen („Hafer­flocken“). Zur Brotherstellung ist er nicht geeignet, da die Haferkörner wenig „Kleber“ erhalten.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet wird das Kraut (frisch oder getrocknet), bestehend aus den grünen, kurz vor der Vollblüte geernteten oberirdischen Teilen des Hafers (Haferkraut - Avenae herba). Die Droge stammt aus mitteleuropäischem Anbau.
Arzneilich werden auch die reifen getrockneten Haferfrüchte (Avenae fructus) und „Haferstroh“ (Avenae stramentum) verwendet; Haferfrüchte gelten auch als Lebensmittel (Haferflocken).

Inhaltsstoffe der Droge

Haferkraut enthält Kohlenhydrate (ß-Glucane, Pentosane und Oligosaccharide), Steroid­saponine, Flavonoide, Flavonolignane, und an Mineralstoffen hauptsächlich Kiesel­säure in löslicher Form. Haferfrüchte enthalten Kohlenhydrate in Form von Stärke (50 bis 60 %), Proteine, Lipoproteine, Haferöl, Sterole, Flavonoide.

Qualitätsbeschreibungen

Weder für Haferkraut (Avenae herba) noch für Hafer­früchte (Avenae fructus) und Hafer­stroh (Avenae stramentum) stehen Arzneibuch-Qualitätsbeschreibungen zur Verfügung.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Haferkraut und Haferfrüchte als traditionelle pflanzliche Arzneimittel ein­gestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: Haferkraut und Haferfrüchte wurden nicht bearbeitet.
Kommission E: Haferstroh: äußerlich bei entzündlichen und seborrhoischen Haut­erkrankungen, speziell mit Juckreiz.
Haferkraut und Haferfrüchte: Von der Kommission E erhielten Haferkraut und Haferfrüchte Negativverabschiedungen, da das damals vorhandene wissenschaftliche Erkenntnismaterial ihre Wirksamkeit nicht belegen konnte. Die Beurteilungen der Kommission E können jeweils als „Nullmonographie“ bezeichnet werden, da von den beiden Drogen nach Er­kennt­nissen der Kommission E keine Risiken zu erwarten sind.
Volkstümlich wurden Haferkrautzubereitungen bei akuten und chronischen Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen, bei Hauterkrankungen, Bindegewebsschwäche, Blasenschwäche und als Aufbau- und Kräftigungsmittel angewendet.

Traditionelle Anwendung

Haferkraut wurde vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Haferkraut innerlich zur Linderung leichter Stresssymptome und als Schlafhilfe verwendet werden.
Haferfrüchte wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können gemahlene Haferfrüchte (Hafer­mehl) äußerlich bei leichten Hautentzündungen (z.B. Sonnenbrand) und kleinen Wun­den verwendet werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Haferkraut

Haferfrüchte
  • zu Mehl gemahlene Haferfrüchte
  • Mischung von Hafermehl mit Paraffin (5 %)
Haferstroh
  • geschnittenes Haferstroh als Zusatz zu Bädern

Dosierung

Haferkraut
Teeaufguss: 1- bis 3-mal täglich 1 Tasse Haferkrauttee trinken.

Bereitung eines Teeaufgusses

3 g fein geschnittenes Haferkraut wird mit 150 mL kochendem Wasser übergossen. Nach dem Erkalten abseihen.
Für ein Vollbad wird 100 g Haferstroh auf ein Vollbad gegeben.

Hinweise

Für die Anwendung von Haferkraut während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor. Dasselbe gilt für die innerliche Anwendung von Haferkraut bei Kindern. Gegen eine äußerliche Anwendung von Hafer­mehl und Haferstroh bei Kindern bestehen keine Bedenken.

Nebenwirkungen

Keine bekannt

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2008, 2018), Kommission E (1987, 1988)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen

 

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