Arzneipflanzenlexikon

Liebstöckel

Liebstöckel
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Liebstöckel – Levisticum officinale Koch

Familie

Doldengewächse (Apiaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Das Liebstöckel ist ursprünglich in Westasien heimisch, wird aber seit über tausend Jahren in ganz Europa und seit der Neuzeit auch in Nordamerika als Kulturpflanze angebaut; in diesen Ländern sind auch verwilderte Bestände zu finden. Liebstöckel wächst auf tiefgründigem, feuchtem und nährstoffreichem Boden und zeichnet sich durch einen würzigen, an Sellerie erinnernden Geruch aus, wenn man die Blätter zwischen den Fingern zerreibt. Dabei wird das Gewebe verletzt und aus den Ölgängen wird das ätherische Öl mit seinem charakteristischen Geruch frei. Die Geschichte, dass ein Industrieller der Nahrungs­mittelindustrie – Julius Maggi (1846-1912) – das Liebstöckel als Lieferant für eine wohl­schmeckende Suppenwürze entdeckte und als Grundlage für sein weltweit vermarktetes ,Maggi' verwendete, ist so nicht richtig. Im Gegenteil, die Maggi-Gesellschaft in Singen untersagte einigen Gärtnereien in Berlin, die das Liebstöckel nach dem 1. Weltkrieg in den Schreber­gärten als ,Maggipflanze' an die Schüler verteilten, diese Bezeichnung. ,Maggi' sei ein gesetzlich geschütztes und beim Reichs­parteiamt eingetragenes Waren­zeichen, die prädikative Benutzung des ausschließlich dieser Gesell­schaft vorbehaltenen Namens sei nicht gestattet (Sauerbruch, Etymologisches Wörterbuch). Im Volksmund hat sich der Name ,Maggikraut' für das Liebstöckel trotzdem erhalten.

Über die Herkunft des Namens ,Liebstöckel' wird viel spekuliert, erschwert durch die Tatsache, dass sich der Gattungsname Levisticum über lange Zeit mit dem Gattungsnamen Ligusticum vermischte. So findet man, dass das als Würz- und Arzneipflanze angebaute Doldengewächs als eine aus Ligurien stammende Pflanze betrachtet wird (lat. ,ligusticus' = ligurisch), deren Name schon früh vielfach umgebildet wurde, im Mittellateinischen Umwandlungen zu ,levisticum', ,livisticum' und ,lubisticum'; aus Letzterem mag sich der Name ,Liebstöckel' gebildet haben. Das Artepitheton officinalis lässt darauf schließen, dass es sich um eine alte Arzneipflanze handelt, denn die „Offizin“ ist der Verkaufsraum einer Apotheke und ‚officinalis’ bedeutet: in der Apotheke gebräuchlich.

Das Liebstöckel ist eine 1 bis 2 m hohe krautige Staude mit einer kräftigen Pfahlwurzel. Die zwei- bis dreifach gefiederten Blätter sitzen an einer dicken, röhrigen Grundachse mit aufrecht abstehenden Seitentrieben. Die unteren Fiederblätter sind bis 70 cm lang und 65 cm breit, dunkelgrün glänzend und im Umriss dreieckig-rhombisch. Die kleinen, blassgelben Blüten stehen in großen 12- bis 20-strahligen, gewölbten Doppeldolden. Die Früchte sind 5 bis 7 mm lang, gelb bis braun und zerfallen nach dem Abspringen in jeweils 2 Teilfrüchte. Blütezeit ist Juli/August.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die getrockneten unterirdischen Teile, bestehend aus dem Wurzelstock und den Wurzeln (Liebstöckelwurzel - Levistici radix).
Die Droge des Handels stammt aus Kulturen in Thüringen, Polen, Holland und einigen Balkanstaaten.

Inhaltsstoffe der Droge

Liebstöckelwurzeln enthalten ätherisches Öl mit Alkylphthaliden (u.a. Ligustilid), die für das charakteristische würzige Aroma der Droge verantwortlich sind. Außerdem sind Cumarine, Polyacetylene und Phenol­carbonsäuren enthalten.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität der Liebstöckelwurzel (Levistici radix) ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Liebstöckelwurzel als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe "Traditionelle Anwendung").
ESCOP: Liebstöckelwurzel wurde bisher nicht bearbeitet.
Kommission E: zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harn­wege und zur Vorbeugung und Behandlung von Nierengrieß.

Traditionelle Anwendung

Liebstöckelwurzel wurde vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Liebstöckelwurzel zur Erhöhung der Harnmenge und damit zur Durchspülung der Harnwege unterstützend bei leichten Harnwegsbeschwerden eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • geschnittene Liebstöckelwurzel zur Bereitung eines Tees
  • pulverisierte Liebstöckelwurzel in Dragees
  • wässrige Extrakte in Tropfen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: 2- bis 3-mal täglich eine Tasse Liebstöckeltee trinken; Tagesdosis 4 bis 6 g Droge.

Bereitung eines Teeaufgusses

1,5 bis 3 g fein geschnittene oder grob pulverisierte Liebstöckelwurzel mit ca. 150 mL kochendem Wasser übergießen und nach 10 bis 15 Min. abseihen.

Hinweise

Bei einer Durchspülungstherapie muss reichlich Flüssigkeit getrunken werden.
Beim Vorliegen von Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierentätigkeit soll eine Durch­spülungs­therapie mit Liebstöckelwurzel nicht durchgeführt werden.
Für die Anwendung von Liebstöckelwurzel während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor; auch wird von einer Anwen­dung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wegen mangelnder Er­kenntnisse abgeraten.

Nebenwirkungen

Keine bekannt

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2013, 2022), Kommission E (1990)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Liebstöckelwurzel, Nr. 1233)

 

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