Arzneipflanzenlexikon

Anis - Sternanis

Anis - Sternanis
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

(Kleiner) Anis – Pimpinella anisum L.
(Chinesischer) Sternanisbaum - Illicium verum Hook. f.

Familie

Anis - Doldengewächse (Apiaceae)
Sternanis – Sternanisgewächse (Schisandraceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Vermutlich stammt der wegen seines würzigen Geruchs geschätzte Anis aus dem Orient. Er wird heute in Südeuropa, im Mittelmeergebiet, im Vorderen Orient und Indien kultiviert. Aus weggeworfenen Früchten kommt er mitunter an Wegrändern und Schuttstellen ver­wildert vor.

„Pimpinella“ wird ins Deutsche als „Pimpernell(e)“ oder „Bibernelle“ übertragen, letzteres eine Bezeichnung, die man in den Pflanzennamen „Große Bibernelle“ (Pimpinella major) und „Kleine Bibernelle“ (Pimpinella saxifraga) wiederfindet. „Bibernelle“ ist allerdings auch der Name des Kleinen Wiesenknopfs (Sanguisorba minor), weswegen es häufig zu Verwechslungen zwischen diesen Pflanzen kommt.

Anis ist eine einjährige Pflanze, wird 30 bis 50 cm hoch und blüht im Juli/August mit zahlreichen kleinen weißen Blüten, die in 7- bis 17-strahligen Doppeldolden angeordnet sind. Die Blätter am Grund des zarten Stängels sind gestielt und rundlich, nach oben hin sind sie zunehmend fiederschnittig und sitzen direkt am Stängel. Die im reifen Zustand graubräunlichen Früchte sind 3 bis 5 mm lang mit helleren, etwas kantig hervortretenden Rippen. Dabei handelt es sich wie bei allen Doldengewächsen um „Doppelachänen“, die jedoch im Falle von Anis nicht in die beiden Teilfrüchte (Achänen) zerfallen, wie es beim Kümmel der Fall ist. Anis ist ein beliebtes Gewürz für Gebäck und zur Herstellung von alkoholischen Getränken (Anisschnaps, Pernod, Pastis, Ouzo).

Anis - Sternanis
Foto: Stahl-Biskup
Als „Sternanis“ bezeichnet man die sternförmigen Sammelbalgfrüchte des (Chinesischen) Sternanisbaums, ein bis 10 m hoher Baum, der in Ost- und Südostasien (China, Japan, Vietnam, Philippinen) kultiviert wird. Seine Früchte bestehen aus 8 rotbraunen, kahn­förmigen um eine Mittelachse rosettig angeordneten Balgfrüchten, die jeweils einen braunen Samen enthalten, manchmal fehlend. Sternanis wird in der Küche zum Würzen von Glühwein gerne verwendet.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die trockenen, reifen 2-teiligen Spaltfrüchte (Anis - Anisi fructus) mit ihrem typischen Anisgeruch, der beim Zerreiben deutlich wahrzunehmen ist. Er wird durch das in den Früchten enthaltene ätherische Öl verursacht. Der im Handel befindliche Anis stammt aus der Türkei, Ägypten und Spanien.
Verwendet wird auch das ätherische Öl (Anisöl - Anisi aetheroleum), das aus Anisfrüchten durch Wasserdampfdestillation gewonnen wird. Das (echte) Anisöl ist ein sehr teures ätherisches Öl und schwer zu beschaffen. Deshalb wird unter der Bezeichnung „Anisöl“ meist das billigere Sternanisöl aus Vietnam und China gehandelt, das aus den Früchten des Sternanisbaums (Illicium verum Hook f.) gewonnen wird. In seiner Zusammensetzung ist es dem (echten) Anisöl sehr ähnlich, erreicht jedoch nicht dessen geruchliche Qualität.
Auch das Sternanisöl wird arzneilich verwendet (Sternanisöl - Anisi stellati aetheroleum), ebenso wie die getrockneten Früchte (Sternanis - Anisi stellati fructus).

Inhaltsstoffe der Droge

Anisfrüchte enthalten ätherisches Öl („Anisöl“) mit süß schmeckendem trans-Anethol (Hauptbestandteil), das auch für den typischen Geruch der Droge verantwortlich ist; außerdem fettes Öl und Proteine. trans-Anethol ist im Anisöl zu 80 bis 90 % enthalten, außerdem enthält es Estragol, Anisaldehyd und Monoterpene.
Sternanisfrüchte enthalten ätherisches Öl mit 85 bis 95 % trans-Anethol, Flavonoide, Shikimisäure und andere Phenolcarbonsäuren, in den Samen fettes Öl.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Anis (Anisi fructus)
  • Anisöl (Anisi aetheroleum)
  • Sternanis (Anisi stellati fructus)
  • Sternanisöl (Anisi stellati aetheroleum)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Anis und Anisöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP - Anis: dyspeptische Beschwerden wie leichte krampfartige gastrointestinale Be­schwerden, Blähungen, Flatulenz; leichte Entzündung der oberen Luftwege, als schleim­lösendes Mittel; diese Anwendungs­gebiete stützen sich auf Erkenntnisse der lang­jährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E (Anis und Sternanis): dyspeptische Beschwerden (innere Anwendung), Katarrhe der Luftwege (innere und äußere Anwendung)

Traditionelle Anwendung

Das HMPC hat Anis und Anisöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Anis und Anisöl bei leichten krampf­artigen Beschwerden im Magen-Darm-Bereich (bei Blähungen und Flatulenz) und als Schleim lösendes Mittel bei erkältungsbedingtem Husten eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • Anisfrüchte in Teemischungen
  • Anisöl in magensaftresistenten Weichkapseln oder Flüssigkeiten
  • Trockenextrakte in Dragees
Anis wird häufig auch mit anderen, ähnlich wirkenden Drogen wie Fenchel und Kümmel kombiniert verarbeitet.

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: mehrmals täglich 1 Tasse Anistee warm trinken (auch in Mischungen mit anderen Drogen als Magen-Darm-Tee; Husten- und Bronchialtee).
Anisöl/Sternanisöl: mehrmals tägl. 3 – 5 Tropfen auf einem Stück Zucker einnehmen.

Bereitung eines Teeaufgusses

1 bis 3,5 g frisch zerkleinerten Anis mit einer Tasse (150 mL) heißem (nicht kochend!) Wasser übergießen, 10 Min. ziehen lassen und abseihen. Um die Wirksamkeit zu fördern, sollten Anisfrüchte vor der Teezubereitung zerstoßen oder grob gepulvert werden, damit das ätherische Öl in den Tee gelangen kann.

Hinweise

Bei bestehenden Allergien gegen Doldenblütler (Fenchel, Kümmel, Sellerie, Koriander oder Dill) oder gegen Anethol müssen Aniszubereitungen gemieden werden.
Bei Lagerung von Anis/Sternanis unter Lichteinwirkung kann sich aus trans-Anethol u. U. „Photoanethol“ mit östrogenen Eigenschaften bilden.
Für die Anwendung von Anis während der Schwangerschaft oder Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor. Kinder unter 12 Jahren sollen Anis­früchte, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sollen Anisöl/Sternanisöl wegen feh­lender Erkenntnisse und wegen des Estragol-Gehalts vorsorglich nicht einnehmen.

Nebenwirkungen

Gelegentlich Allergien an Haut und Atemwegen

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2014), ESCOP (2014), Kommission E (1988), WHO Vol. 3

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Anis, Nr. 0262; Anisöl, Nr. 0804; Sternanis, Nr. 1153, Sternanisöl, Nr. 2108)

 

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