Arzneipflanzenlexikon

Kamille

Kamille
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

(Echte) Kamille – Matricaria chamomilla L.

Familie

Korbblütler (Asteraceae) 

Wissenswertes zur Pflanze

Die Kamille ist in Süd- und Osteuropa sowie Vorderasien beheimatet, heute jedoch in ganz Europa, Nordamerika und Australien verbreitet. Kultiviert wird sie in Bulgarien, Ungarn, Ägypten und Argentinien, nur sehr eingeschränkt in Deutschland und Spanien. Der Gattungs­name leitet sich ab vom Lateinischen „matrix“ (= Gebärmutter; genitive Form = matricis) und weist darauf hin, dass die Pflanze volksheilkundlich gegen Frauenleiden ver­wendet wurde.

Die Kamille wird 20 bis 40 cm hoch und trägt 2- bis 3-fach gefiederte Blätter mit feinen, langen Fiedern. Die Blütenköpfchen bestehen aus zahlreichen gelben Röhrenblüten, die auf einem kegelförmig gewölbten Blütenboden stehen, umgeben von ca. 15 weißen Zungen­blüten. Ob es sich wirklich um die Echte Kamille handelt, lässt durch einen Längsschnitt durch die Blüte feststellen: der Blütenboden muss hohl sein. Die Kamille wächst gerne am Weg- und Ackerrand und blüht von Mai bis September.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die Blüten (Kamillenblüten - Matricariae flos) mit ihrem typischen Kamillengeruch, der durch das darin enthaltene ätherische Öl verursacht wird. Es ist in Drüsenschuppen auf der Oberfläche der Blüten enthalten und wird frei, wenn man beim Zerreiben der Blüte diese Drüsen verletzt. Das ätherische Öl wird ebenfalls arzneilich verwendet (Kamillenöl - Matri­cariae aetheroleum).
Die im Handel befindliche Droge stammt aus Importen aus Ungarn, Argentinien und Ägypten.

Inhaltsstoffe der Droge

Kamillenblüten enthalten ätherisches Öl („Kamillenöl“) mit Sesquiterpenen (Bisabolol, Bisabololoxide) und En-In-Dicycloethern. Das ätherische Öl ist intensiv blau gefärbt, weil während der Wasserdampfdestillation aus dem nicht flüchtigen Matrizin das blau gefärbte, flüchtige Chamazulen entsteht. Außerdem Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und Schleim­stoffe.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Kamillenblüten (Matricariae flos)
  • Kamillenfluidextrakt (Matricariae extractum fluidum)
  • Kamillenöl (Matricariae aetheroleum)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Kamillenblüten und Kamillenöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel einge­stuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: Kamillenblüten innerlich: Magen-Darm-Beschwerden wie leichte Krämpfe, Oberbauchblähungen, Flatulenz und Aufstoßen; äußerlich: leichte Entzündungen und Reizungen der Haut und Schleimhaut – Mundhöhle und Zahnfleisch (Mundspülungen), Atemwege (Inhalationen), Anal- und Genitalbereich (Bäder, Salben).
Kommission E: Kamillenblüten äußerlich: Haut- und Schleimhautentzündungen sowie bakterielle Haut­erkrankungen einschließlich der Mundhöhle und des Zahnfleisches; entzündliche Er­krankungen und Reizzustände der Luftwege (Inhalationen), Erkrankungen im Anal- und Genitalbereich (Bäder, Spülungen); innerlich: gastro-intestinale Spasmen und entzündliche Erkrankungen des Gastro-Intestinal-Trakts.

Traditionelle Anwendung

Kamillenblüten und Kamillenöl wurden vom HMPC als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft.
Kamillenblüten: basierend auf langjähriger Erfahrung können Kamillenblüten innerlich bei gastrointestinalen Beschwerden wie Blähungen und leichten Bauchkrämpfen sowie bei einer banalen Erkältung eingenommen werden; äußerlich bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie unterstützend bei Entzündungen im Anal- und Genitalbereich, wenn ärztlicherseits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen wurde; außerdem bei leichten Hautentzündungen (Sonnenbrand), oberflächlichen Wunden und kleinen Furunkel.
Kamillenöl: basierend auf langjähriger Erfahrung kann Kamillenöl unterstützend bei Ent­zündungen im Anal- und Genitalbereich eingesetzt werden, wenn ärztlicherseits eine ernst­hafte Erkrankung ausgeschlossen wurde.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • Kamillenblüten zur Bereitung eines Tees, auch in Teeaufgussbeuteln
  • alkoholische Auszüge und Fluidextrakte in Tropfen zur Einnahme
  • Trockenextrakte in Dragees
  • alkoholische Auszüge in Cremes, Salben, Mundsalben und Bädern zur äußerlichen Anwendung
  • Kamillenöl in Heilsalben, Bädern und Lösungen zur äußerlichen Anwendung
  • Matricaria recutita homöopathische Urtinktur in flüssigen Zubereitungen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: 3- bis 4-mal täglich 1 Tasse frisch bereiteten Kamillentee zwischen den Mahlzeiten warm trinken. Der Tee kann auch zu Mundspülungen oder zum Gurgeln ver­wendet werden. Als Badezusatz 50 g Kamillenblüten auf 10 L Wasser. Zur Inhalation eine Handvoll Kamillenblüten oder einige Tropfen des Kamillenöls auf heißes Wasser geben.

Bereitung eines Teeaufgusses

1 Esslöffel Kamillenblüten (ca. 3 g) mit 150 mL heißem Wasser übergießen (nicht ko­chend!), 5 – 10 Min. ziehen lassen und abseihen.

Hinweise

Bei bestehenden Allergien gegen Korbblütler (Asteraceae) müssen Kamillenzubereitungen gemieden werden (Kreuzallergie möglich).
Zur Anwendung von Kamillenblüten und Kamillenöl während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor; von einer Anwen­dung bei Kindern unter 12 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.

Nebenwirkungen

Selten Allergien

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2016), ESCOP (2020), Kommission E (1990), WHO (Vol. 1, NIS)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Kamillenblüten, Nr. 0404; Kamillenfluidextrakt, Nr. 1544; Kamillenöl, Nr. 1836)

 

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