Arzneipflanzenlexikon

Löwenzahn

Löwenzahn
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Wiesen-Löwenzahn – Taraxacum officinale F. H. Wigg.

Familie

Korbblütler (Asteraceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Beim Wiesen-Löwenzahn handelt es sich um ein Aggregat zahlreicher Kleinarten, die heutzutage in der Sektion ‚Ruderalia’ zusammengefasst werden. So listet die Flora Europaea für Europa 104 Kleinarten auf. Ursprünglich nur in den gemäßigten Breiten Eurasiens heimisch, ist der Löwenzahn durch menschlichen Einfluss inzwischen weltweit verbreitet. Er wächst auf Wiesen, Weiden, Äckern, an Wegrändern und ist häufig auch an Ruderalstandorten (daher Sektion Ruderalia) anzutreffen. Ruderalstandorte sind vom Menschen stark beeinträchtigte Standorte, wie z.B. Schutthalden, Brachen, Straßenränder oder Bahndämme. Löwenzahn in Gärten wird gerne als „Unkraut“ bezeichnet, weil er wegen der tiefen Wurzel schwer zu entfernen und damit schlecht zu beherrschen ist.

Der Gattungsname Taraxacum leitet sich von gr. ‚taraxis’ (= Entzündung) und ‚akeomai’ (= ich heile) ab, was auf die lange Verwendung der Pflanze zu Heilzwecken hinweist, verstärkt noch durch das Artepitheton officinalis. Es lässt darauf schließen, dass es sich um eine alte Arzneipflanze handelt, denn die „Offizin“ ist der Verkaufsraum einer Apotheke und ‚officinalis’ bedeutet: in der Apotheke gebraucht.

Der Löwenzahn ist mit einer langen, kräftigen, fleischigen Pfahlwurzel im Boden verankert. Oberirdisch bildet er eine grundständige Blattrosette aus mehreren, sehr charakteristisch schrotzähnig gelappten Blättern. Sie haben der Pflanze den Namen „Löwenzahn“ ein­gebracht. Aus den Blattachseln wächst ein 10 bis 15 cm langer, hohler Blütenstängel, an dessen Ende das leuchtend gelbe Blütenköpfchen aus zahlreichen goldgelben, zwittrigen Zungenblüten steht. Blütezeit ist März bis Mai. Die Früchte sind klein, strohfarben, geschnäbelt und tragen einen propellerförmigen Pappus. Bis zur vollen Reife bleiben die kleinen Früchte auf dem runden Blütenboden stehen. Dann erfasst sie der Wind und die Früchte fliegen mit ihrem „Propeller“ durch die Luft, was zur effektiven Verbreitung der Pflanze führt. Die Früchte lassen sich auch leicht mit dem Mund wegblasen, was in dem volkstümlichen Namen „Pusteblume“ zum Ausdruck kommt.
Der Löwenzahn führt in allen Teilen einen weißen Milchsaft (in gegliederten Milchröhren). Bei Verletzung der Pflanze tritt er spontan aus und färbt bei Kontakt mit der Haut und Kleidung diese nach kurzer Zeit braun.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet wird die ganze Pflanze bestehend aus dem Kraut und den Wurzeln, geerntet vor dem Aufblühen (Löwenzahnkraut mit Wurzel - Taraxaci herba cum radice); außerdem wird die Wurzel alleine (Löwen­zahn­wurzel - Taraxaci radix) und auch das Kraut (Löwen­zahnkraut - Taraxaci herba) bzw. die Blätter (Löwenzahn­blätter - Taraxaci folium) verwendet.
Die Drogen des Handels stammen aus osteuropäischen Ländern.

Inhaltsstoffe der Droge

Löwenzahn enthält in allen Teilen Sesquiterpenlacton-Bitterstoffe, Triterpenalkohole, Phenol­glykoside (Taraxacosid), Flavonoide und Kohlenhydrate.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Löwenzahnkraut mit Wurzel (Taraxaci herba cum radice)
  • Löwenzahnwurzel (Taraxaci Radix)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Löwenzahnkraut mit Wurzel, Löwenzahnwurzel und Löwenzahnblätter als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: Löwenzahnblätter - unterstützend bei Behandlungen, bei denen ein verbesserter Harnfluss wünschenswert ist, z.B. bei Rheumatismus und zur Verhütung von Nieren­steinen. Löwenzahnwurzel - zur Wiederherstellung der Leber- und Gallefunktion; bei dyspeptischen Beschwerden und Appetitlosigkeit.
Kommission E: Löwenzahnkraut mit Wurzel - bei Störungen des Gallenflusses; zur Anregung der Diurese; außerdem bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden. Löwenzahnkraut bzw. Löwenzahnblätter - bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Be­schwerden wie Völlegefühl und Blähungen.

Traditionelle Anwendung

Löwenzahnkraut mit Wurzel und Löwenzahnwurzel: beide Drogen wurden vom HMPC als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Löwenzahnkraut mit Wurzel und Löwenzahnwurzel zur Besserung leichter Verdauungsbeschwerden (Völlegefühl, Blähungen, verzögerter Verdauung) und bei vorübergehender Appetitlosigkeit eingesetzt werden; außerdem zur Erhöhung der Harn­menge und damit zur Durchspülung der Harnwege unterstützend bei leichten Harn­wegsbeschwerden.

Löwenzahnblätter: Die Droge wurde vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Löwenzahnblätter zur Erhöhung der Harnmenge und damit zur Durchspülung der Harnwege unterstützend bei leichten Harnwegsbeschwerden eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • geschnittenes Löwenzahnkraut mit Wurzel, Löwenzahnkraut oder Löwenzahnblätter zur Bereitung eines Tees
  • pulverisierte Droge in Dragees
  • Trockenextrakte in Dragees
  • alkoholische Extrakte in Tropfen
  • Fluidextrakt in flüssigen Zubereitungen
  • Frischpflanzenpresssaft als flüssige Zubereitung
  • Taraxacum officinale homöopathische Urtinktur der ganzen Pflanze in flüssigen Zubereitungen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: 3-mal täglich eine Tasse warmen Löwenzahntee trinken (Löwenzahnkraut, Löwenzahnkraut mit Wurzel oder Löwenzahnblätter); zur Appetitanregung soll der Tee jeweils eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten getrunken werden. Mittlere Tagesdosis: 10 bis 30 g Droge.

Bereitung eines Teeaufgusses

3 bis 5 g fein geschnittenes Löwenzahnkraut mit Wurzel, Löwenzahnwurzel, Löwen­zahnkraut oder fein geschnittene Löwenzahnblätter werden mit 150 mL kaltem Wasser angesetzt, kurz aufgekocht und nach ca. 10 Min. abgeseiht.

Hinweise

Werden Löwenzahnkraut, Löwenzahnblätter oder Löwenzahnwurzeln zur Durch­spülungs­therapie verwendet, muss reichlich Flüssigkeit getrunken werden. Bei Nierenerkrankungen dürfen Löwenzahnzubereitungen nicht eingenommen werden. Sollten während der Behand­lung Fieber, Harnverhalten, Krämpfe beim Wasserlassen oder Blut im Urin auftreten, ist ärztlicher Rat einzuholen.

Bei bestehenden Allergien gegen Korbblütler (Asteraceae) sollte auf die Einnahme von Löwenzahn-Zubereitungen verzichtet werden (Kreuzallergie möglich).

Für die Anwendung von Löwenzahnkraut oder Löwenzahnwurzel während der Schwanger­schaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor; von einer Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.

Nebenwirkungen

Eventuell Magenübersäuerung durch die Bitterstoffe

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2011, 2020, 2022), ESCOP (2003), Kommission E (1990, 1992),
WHO (Vol. 3, NIS)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Löwenzahnkraut mit Wurzel, Nr. 1851; Löwenzahnwurzel, Nr. 1852)

 

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