Arzneipflanzenlexikon

Rizinus - Wunderbaum

Rizinus - Wunderbaum
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Rizinusstrauch - Ricinus communis L.

Familie

Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Heimat des Rizinusstrauchs ist bisher nicht geklärt. Seine Samen fanden sich in ägyp­tischen Gräbern der Zeit 4000 Jahre v. Chr., trotzdem bleibt offen, ob die Heimat des Rizinusstrauches Indien oder Äthiopien war. Heute ist er als Kultur in allen wärmeren Ländern bekannt und wächst in den Mittelmeerländern als 3 bis 5 m hoher baumartiger Strauch, in den Tropen und Subtropen wird er bis 12 m hoch. Nördlich der Alpen und im gemäßigten Amerika erreicht er eine Höhe von nur 2 m und ähnelt so eher einem buschigen Kraut. Dabei ist er außergewöhnlich schnell wachsend, weswegen er auch „Wunderbaum” oder „Wunderpalme” genannt wird. Bemerkenswert sind am Rizinus die großen, lang gestielten, handförmig gelappten Blätter. Sie sind grünlich oder rötlich. Der Blütenstand ist rispig, 15 bis 50 cm lang, im unteren Bereich stehen büschelig gehäuft die männlichen Blüten, oben stehen gestielt die weiblichen Blüten.

Seine dekorativen Samen erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie liegen in walnussgroßen, weich bestachelten, dreifächrigen Kapseln, in jedem Fach ein Samen. Die Samen sind bohnen­groß und haben eine harte, rötlich-bräunlich marmorierte Schale. Die marmorierte Maserung soll einer Hundezecke oder einem Holzbock (lat. ,ricinus') ähnlich sehen, so jedenfalls erklärt man sich den Gattungsnamen Ricinus. Das Artepitheton communis bedeutet gewöhnlich/gemein, d.h. weit verbreitet und nicht selten.

Rizinussamen werden in Indien und Afrika zu dekorativen Schmuckketten verarbeitet. Dies ist nicht ganz ungefährlich, da die Samen hoch giftig sind (Vorsicht Kinder!). Sie enthalten das Ricin, ein aus zwei Ketten bestehender Eiweißkörper (Protein). Dessen B-Kette vermittelt der A-Kette die Aufnahme in die Zelle, wo sie das Ribosom inaktiviert und die Proteinsynthese der Zelle stoppt. Diese reagiert darauf mit dem programmierten Zelltod (Apoptose). Folgen einer Vergiftung sind Übelkeit, blutiges Erbrechen, blutiger Durchfall, zuletzt Kreislaufkollaps.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet wird das fette Öl der Samen, das durch Kaltpressung aus den Samen gewonnen wird (Natives Rizinusöl - Ricini oleum virginale). Das giftige Ricin geht nicht ins Öl über, sondern verbleibt im Presskuchen, der als Düngemittel verwendet wird.

Inhaltsstoffe der Droge

Rizinusöl besteht zu 70% aus Triricinolein, ein Triglycerid der ungesättigten Rizinolsäure (12-Hydroxyölsäure); weitere Fettsäuren sind Öl-, Linol-, Palmitin- und Stearinsäure; ß-Sitosterol.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Natives Rizinusöl (Ricini oleum virginale)
  • Raffiniertes Rizinusöl (Ricini oleum raffinatum)
  • Hydriertes Rizinusöl (Ricini oleum hydrogenatum)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Rizinusöl als Abführmittel zur kurzzeitigen Behandlung einer gelegentlich auftretenden Obstipation als „medizinisch anerkannt“ („well-established use“) akzeptiert.
ESCOP: Rizinusöl wurde bisher nicht bearbeitet.
Die Kommission E konnte aus zeitlichen Gründen Rizinusöl nicht mehr bearbeiten. Seine abführende Wirkung, bedingt durch die Rizinolsäure, wird phytotherapeutisch genutzt (Schilcher: Leitfaden Phytotherapie). Anwendungsgebiet: zur kurzfristigen Anwendung bei akuter und habitueller Verstopfung; Erkrankungen, bei denen eine zuverlässige Entleerung des Darms erwünscht ist.

Da Rizinusöl im Gegensatz zu allen anderen Ölen in verdünntem Alkohol (70 %) löslich ist, wird es in Alkohol (70 %) gelöst auch als Haar- und Hautpflegemittel benutzt.

Traditionelle Anwendung

entfällt

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Keine Fertigarzneimittel; das Öl kann direkt, evtl. geschmacklich verbessert mit Himbeer­sirup, oder in Weichgelatinekapseln verabreicht werden.

Dosierung

1 bis 2 Esslöffel bzw. 4 bis 6 g (10 bis 30 mL) als einmalige Gabe. Bei höherer Dosierung tritt die Stuhl­entleerung innerhalb von 2 bis 4 Std. ein, bei niedrigerer Dosierung nach 6 bis 8 Std..

Bereitung eines Teeaufgusses

entfällt

Hinweise

Rizinusöl darf nur kurzfristig, also nicht länger als 1 bis 2 Wochen, eingenommen werden. Rizinusöl darf nicht eingenommen werden bei Darmverschluss, akut-entzündlichen Erkrankungen des Darms (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), bei Bauchschmerzen unbe­kannter Ursache und bei Gallenwegserkrankungen.
Während der Schwangerschaft darf Rizinusöl nicht eingenommen werden, da durch die resorbierte Rizinolsäure in den Blutgefäßen Prostaglandin E2 freigesetzt wird, wodurch Kontraktionen des Uterus ausgelöst werden können. Auch während der Stillzeit wird von einer Anwendung von Rizinusöl abgeraten. Bei der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen muss die Dosis verringert werden (5 bis 15 mL).

Nebenwirkungen

In Einzelfällen krampfartige Magen-Darm-Beschwerden

Wechselwirkungen

Arzneimittel mit einer geringen therapeutischen Breite (z.B. Digitalispräparate, Marcurmar) dürfen nicht gleichzeitig eingenommen werden, sondern erst nach der Darmentleerung.

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2016, 2023), WHO Vol. 4

Weiterführende Literatur

Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Natives Rizinusöl, Nr.0051; Raffiniertes Rizinusöl, Nr. 2367; Hydriertes Rizinusöl, Nr. 1497)

 

Adonisröschen    Afrikanischer Pflaumenbaum    Aloe    Andorn    Angelica    Anis    Arnika    Artischocke    Augentrost    Australischer Teebaum    Bärentraube    Baldrian    Beinwell    Belladonna    Benediktenkraut    Bilsenkraut    Birke    Bitterklee    Bitterorange    Bittersüßer Nachtschatten    Blutweiderich    Blutwurz    Bockshornklee    Boldostrauch    Brechwurz    Brennnessel    Brombeere    Bruchkraut    Buchweizen    Cannabis    Cayennepfeffer    Chinarindenbaum    Cranberry    Digitalis    Diptam-Dost    Dost    Echinacea    Efeu    Ehrenpreis    Eibisch    Eiche    Eisenkraut    Eleutherococcus    Engelsüß    Engelwurz    Enzian    Ephedra    Erdbeere    Erdrauch    Esche    Eukalyptus    Färberdistel    Faulbaum    Fenchel    Fichte    Fingerhut    Flohkraut / Flohsamen-Wegerich    Frauenmantel    Gänsefingerkraut    Gartenbohne    Gelbwurz    Gewürznelken    Ginkgo    Ginseng    Gliedkraut    Goldrute    Grindelia    Gundelrebe / Gundermann    Habichtskraut    Hafer    Hagebutte    Hamamelis    Hanf    Hauhechel    Heidelbeere    Herzgespann    Hibiscus    Himbeere    Hirtentäschel    Holunder    Hopfen    Huflattich    Indischer Hanf    Indischer Wegerich / Indisches Flohsamen-Kraut    Indischer Weihrauch    Ingwer    Ipecacuanha    Iris    Isländisches Moos    Johannisbeere    Johanniskraut    Kamille    Kamille, Römische    Kapland-Pelargonie    Kapuzinerkresse    Kastanie    Katzenbart    Katzenpfötchen    Kava-Kava    Kiefer    Klette    Knoblauch    Königskerze    Kolabaum    Krauseminze    Kretischer Dost    Kreuzdorn    Kümmel    Kürbis    Kurkuma    Labkraut    Latsche    Lavendel    Lein    Liebstöckel    Linde    Löwenzahn    Lungenkraut    Mädesüß    Mäusedorn    Maiglöckchen    Majoran    Malve    Mariendistel    Mastix    Mate-Teestrauch    Meerrettich    Meerträubel    Meerzwiebel    Melisse    Minze    Mistel    Mönchspfeffer    Moosbeere    Mutterkraut    Myrrhe    Nachtkerze    Odermennig    Ölbaum    Orthosiphon    Passionsblume    Pelargonie    Perubalsam    Pfefferminze    Pflaumenbaum, afrikanischer    Preiselbeere    Primel    Quecke    Quendel    Rauschpfeffer    Rhabarber    Ringelblume    Rizinus    Römische Kamille    Rose    Rosenwurz    Rosmarin    Rosskastanie    Ruhrkraut    Sägepalme    Safran    Salbei    Schachtelhalm    Schafgarbe    Schlafmohn    Schlehdorn    Schleifenblume    Schlüsselblume    Schöllkraut    Schwarznessel    Schwertlilie    Senf    Senna / Sennespflanze    Sibirischer Ginseng    Sideritis    Sojalecithin    Sojapflanze    Sonnenhut    Sonnentau    Spitzwegerich    Stechapfel    Steinklee    Stiefmütterchen    Strohblume    Süßholz    Taigawurzel    Tang / Algen    Taubnessel    Tausendgüldenkraut    Teebaum    Teestrauch    Teufelskralle    Thymian    Tollkirsche    Tolubalsam    Traubensilberkerze    Tüpfelfarn    Vogelknöterich    Wacholder    Walnuss    Wegrauke    Wegwarte    Weide    Weidenröschen    Weihrauch    Weinrebe    Weißdorn    Wermut    Wunderbaum    Zauberstrauch    Zimt-Baum    Zistrose    Zwiebel