Arzneipflanzenlexikon

Stiefmütterchen

Stiefmütterchen
Foto: Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Wildes Stiefmütterchen – Viola tricolor L.
Acker-Stiefmütterchen – Viola arvensis Murray

Familie

Veilchengewächse (Violaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Gattung Viola umfasst etwa 400 Arten, die in zahlreiche Sektionen und Subsektionen gegliedert sind. In Europa kommen Vertreter von 5 Sektionen vor. Das Wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor) ist im gemäßigten Europa und Asien heimisch, in Europa wächst es nördlich bis Island, südlich bis zum Mittelmeer. Es ist sehr formenreich. Manche Bücher listen auch verschiedene Unterarten; so wird z.B. das Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis) teilweise auch als Unterart von V. tricolor geführt. Dieses kommt kosmopolitisch als Unkraut vor. Beide Viola-Arten sind ein- oder mehrjährig, 10 bis 25 cm hoch, und wachsen an Wiesenrändern, Ackerrändern und auf Magerrasen.

Viola heißt das ,Veilchen', das Artepitheton tricolor ist lateinisch und heißt ,dreifarbig' und nimmt Bezug auf die drei Farben der Blütenblätter: violett, gelb und weiß. Die fünf Blütenblätter bilden eine zygomorphe Blüte: Das untere Blatt ist groß, gelb mit strahlen­artigen dunklen Malen, die beiden nächsten nach oben tragen ebenfalls strahlige Male, die beiden obersten Blätter sind einfarbig. Das unpaarige untere Blatt ist die Stief­mutter, ihr schließen sich die beiden standesgemäßen Töchter an, die letzten Blütenblätter, die Stieftöchter, sind einfarbig gekleidet. Die Mutter sitzt auf zwei Stühlen (= 2 Kelchblätter), jede Tochter auf einem Stuhl (je 1 Kelchblatt), die beiden Stieftöchter müssen sich einen Stuhl teilen; so wird der Name ,Stiefmütterchen' erklärt (Sauerbruch, Etymologisches Wörterbuch).

Die Blüten des Wilden Stiefmütterchen sind über 1,5 cm groß, die vom Acker Stiefmütterchen etwas kleiner; beide mit einem kurzen Sporn versehen. Die Blattform der Stiefmütterchen ist variabel, herzförmig bis länglich eiförmig, meist stumpf gesägt, die Nebenblätter sind gefiedert. Blütezeit ist Mai bis Oktober.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die zur Blütezeit geernteten oberirdischen Teile, bestehend aus Blättern, Stängeln und Blüten (Wildes Stiefmütterchen mit Blüten - Violae herba cum flore). Die Droge des Handels stammt aus Wildsammlungen und Kulturen aus Holland.

Inhaltsstoffe der Droge

Wildes Stiefmütterchen mit Blüten enthalten Flavonoide, Salicylsäurederivate, Pflanzen­säuren, Anthocyane und Schleimstoffe.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität des Wilden Stiefmütterchens mit Blüten (Violae herba cum flore) ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Stiefmütterchenkraut als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe "Traditionelle Anwendung").
ESCOP: bei Hautproblemen wie Exzeme, Seborrhoe, Impetigo, Akne, Milchschorf und zur Behandlung der Windeldermatitis bei Kindern (innerlich und äußerlich); diese Anwen­dungs­­gebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langjährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E: äußerlich bei leichten seborrhoischen Hauterkrankungen; Milchschorf der Kinder.

Traditionelle Anwendung

Wildes Stiefmütterchen mit Blüten (Stiefmütterchenkraut) wurde vom HMPC als tra­ditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Stiefmütterchenkraut innerlich und äußerlich bei leicht seborrhoischer Haut eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • geschnittenes Stiefmütterchenkraut mit Blüten zur Bereitung eines Tees bzw. Auf­gusses für äußere Anwendung
  • Fluidextrakte in flüssigen Zubereitungen
  • Viola tricolor homöopathische Urtinktur in Cremes und flüssigen Zubereitungen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: 1- bis 3-mal täglich eine Tasse Stiefmütterchentee trinken; Tagesdosis 9 g Droge. Äußerliche Anwendung: 3-mal täglich wird eine wässrige Abkochung in Form eines Umschlags auf die betroffenen Hautstellen geben; die wässrige Abkochung kann auch als Badezusatz verwendet werden.

Bereitung eines Teeaufgusses

3 g Stiefmütterchenkraut mit Blüten mit 150 mL kochendem Wasser übergießen und nach 10 Min. abseihen. Für Umschläge eignet sich eine wässrige Abkochung von 2 bis 20 g pro Liter Wasser, als Badezusatz wird 1 Liter einer Abkochung aus 5 bis 10 g Droge empfohlen.

Hinweise

Bei Überempfindlichkeit gegenüber Salicylaten (z. B. Aspirin®) darf Stiefmütterchenkraut mit Blüten nicht verwendet werden. Auch soll Stiefmütterchenkraut mit Blüten nicht auf offene Wunden und große Areale beschädigter Haut aufgetragen werden.

Für die Anwendung von Stiefmütterchenkraut während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor; von einer innerlichen Anwen­dung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten; für die äußerliche Anwendung gilt dies bei Kindern unter 12 Jahren.

Nebenwirkungen

Keine bekannt

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2011, 2021), ESCOP (2016), Kommission E (1986)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Wildes Stiefmütterchen mit Blüten, Nr. 1855)

 

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