Arzneipflanzenlexikon

Wacholder

Wacholder
© Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Heide-Wacholder – Juniperus communis. L.

Familie

Zypressengewächse (Cupressaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Von den ungefähr 60 Wacholderarten sind nur 2 in Mitteleuropa heimisch: der Heide-Wacholder (Juniperus communis) und der Sadebaum (J. sabina). Die Nadeln des Sadebaums riechen unangenehm, weswegen er auch Stinkwacholder genannt wird. Sein ätherisches Öl wurde früher bei Menstruationsstörungen und missbräuchlich auch zur Abtreibung genommen. Juniperus communis, der Heide-Wacholder (lat. ‚communis’ = gewöhnlich), ist im Habitus und in Form und Länge der Nadeln sehr variabel und kommt mit drei Unterarten in Europa vor; er wird auch in mehreren Gartenformen kultiviert.

Der Heide-Wacholder wächst als meist säulenförmiger Strauch oder Baum auf Heiden, in lichten Nadelwäldern und auf Magerwiesen. Die bis 20 mm langen nadelförmigen, stechenden Blätter stehen in 3-blättrigen Quirlen an den Zweigen und haben auf der Oberseite einen deutlich blauweißen Wachsstreifen. Die weiblichen Blüten stehen aufrecht, umgeben von mehreren 3-gliedrigen Quirlen spitzer Schuppenblätter, die drei gipfel­ständigen sind konkav gekrümmt. Obwohl der Wacholder ein Nacktsamer ist (Samen­anlagen liegen frei und sind nicht von Fruchtblättern umgeben), bildet er Beeren. Botanisch sind dies jedoch „Scheinbeeren“, da nach der Bestäubung nicht die Fruchtblätter (da nicht vorhanden), sondern die drei obersten Schuppenblätter fleischig wie eine Frucht um die Samenanlage herumwachsen und diese einhüllen (botanisch: Beerenzapfen). Im reifen Zustand sind die „Wacholderbeeren“ schwarz, bläulich bereift, kugelig bis eiförmig mit hellbraunen Samen.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die reifen Beerenzapfen (Wacholderbeeren - Juniperi pseudofructus) mit ihrem typischen Wacholdergeruch, der beim Zerreiben deutlich wahrzunehmen ist und durch das in den Beeren enthaltene ätherische Öl verursacht wird. Dieses wird aus den reifen Beerenzapfen durch Wasserdampfdestillation gewonnen und auch arzneilich genutzt (Wacholderöl – Juniperi aetheroleum).
Die im Handel befindliche Droge stammt aus Kroatien, Italien und Albanien.
Volkstümlich wurde früher auch das Wacholderholz verwendet, das heute nicht mehr im Gebrauch (= obsolet) ist.

Inhaltsstoffe der Droge

Wacholderfrüchte enthalten 0,8 bis 2% ätherisches Öl mit Monoterpen-Kohlenwasserstoffen als Hauptkomponenten, Invertzucker, Catechingerbstoffe, Leucoanthocyane und Diterpene.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Wacholderbeeren (Juniperi pseudofructus)
  • Wacholderöl (Juniperi aetheroleum)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Wacholderbeeren und Wacholderöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: Wacholderbeeren: zur Verbesserung der renalen Wasserausscheidung und bei dyspeptischen Beschwerden.
Kommission E: Wacholderbeeren: bei dyspeptischen Beschwerden.

Traditionelle Anwendung

Wacholderbeeren und Wacholderöl wurden vom HMPC als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Wacholder­beeren und Wacholderöl innerlich zur Durchspülung der Harnwege unter­stützend bei leichten Harnwegsbeschwerden sowie bei dyspeptischen Beschwerden und Blähungen eingesetzt werden. Wacholderöl kann außerdem basierend auf langer Erfahrung äußerlich bei leichten Muskel- und Gelenk­schmerzen eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • Wacholderbeeren zum Kauen
  • gequetschte Wacholderbeeren zur Bereitung eines Tees
  • Wacholderöl in magensaftresistenten Kapseln zur Einnahme
  • Wacholderöl in Einreibungen
  • Juniperus communis siccatus homöopathische Urtinktur in flüssigen Zubereitungen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Wacholderbeeren zur Durchspülung der Harnwege: Beginnend mit 5 Beeren pro Tag kann die Dosis pro Tag um 1 Beere bis auf 15 Beeren täglich gesteigert werden; danach eine Dosisreduzierung wieder absteigend bis auf 5 Beeren pro Tag.
Teeaufguss: 2- bis 3-mal täglich eine Tasse Wacholderbeertee trinken; mittlere Tagesdosis: 4 bis 6 g Droge.
Wacholderöl: innerlich: Tagesdosis 60 bis 100 mg, über den Tag verteilt (3-mal) ein­nehmen; äußerlich: als Badezusatz 1 bis 1,5 g pro Vollbad, 3- bis 4-mal pro Woche.

Bereitung eines Teeaufgusses

2 g frisch gequetschte Wacholderbeeren werden mit 150 mL kochendem Wasser über­gossen und nach 10 Min. abgeseiht.

Hinweise

Werden Wacholderbeeren oder Wacholderöl zur Durchspülungstherapie verwendet, muss reichlich Flüssigkeit getrunken werden.
Bei Nierenerkrankungen dürfen Wacholderbeeren nicht eingenommen werden. Sollten während der Behandlung Fieber, Harnverhalten, Krämpfe beim Wasserlassen oder Blut im Urin auftreten, ist ärztlicher Rat einzuholen. Von einer Kombination mit synthetischen entwässernden Arzneimitteln (Diuretika) wird abgeraten.
Für die Einnahme von Wacholderbeeren oder Wacholderöl während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor. Von einer Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.

Nebenwirkungen

Bei äußerlicher Anwendung kommt es gelegentlich zu allergischen Hautreaktionen; bei einer Über­dosierung riecht der Harn veilchenartig und es treten Schmerzen im Nieren-Blasenbereich auf.

Wechselwirkungen

Nicht bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2011, 2020, 2022), ESCOP (2003), Kommission E (1984)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Wacholderbeeren, Nr. 1532; Wacholderöl, Nr. 1832)

 

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